Jahresarchiv 19. März 2024

Interview mit Nachhaltigkeitsexperte Harald Zeiss

Quelle: Donau Zeitung Nr. 54 vom 5. März 2024 / Interviewer: Lilo Solcher

Haben Sie Ihren Urlaub schon geplant? Wohin wird dieses Jahr gereist, was wollen Sie am Urlaubsort machen?
Harald Zeiss: Mein Sommerurlaub wird dieses Jahr eine Alpenüberquerung von Garmisch nach Ster- zing mit meiner jüngeren Tochter sein. Mit der älteren Tochter habe ich das im letzten Sommer zu Fuß gemacht und es war einfach großartig.

Gibt es einen unerfüllten Reisetraum? Warum wollen Sie dorthin und was möchten Sie an Ihrem Traumort tun?
Zeiss: Ich möchte eines Tages Japan besuchen. Mich faszinieren die jahrhundertealte Kultur und die Ge- sellschaft. Mein Bild von Japan ist geprägt von Begriffen wie Ästhetik, Harmonie, Innovation, Höflichkeit und viel Qualität in allen Bereichen. Bücher und Dokumentationen haben das vermittelt und ich möchte herausfinden, ob es tatsächlich so ist. Für den Besuch möchte ich mir viel Zeit nehmen, was ich bislang nicht hatte. Die lange Anreise mit dem Flugzeug ist ebenfalls eine Hürde.

Was für ein Reisetyp sind Sie privat?

Zeiss: Unkompliziert und flexibel. Ich wurde in mei- ner Jugend sehr von Interrail geprägt, habe am Strand geschlafen und mich mit kleinstem Budget versorgt. Später bin ich durch Europa getrampt und mit dem Rucksack für ein Jahr durch Südamerika gezogen. Mein Lieblingsziel ist Frankreich. Dort mit einem kleinen Van unterwegs zu sein ist fantastisch.

Was packen Sie auf jede Reise ein – außer dem Handy?
Zeiss: Den Reisepass. Den Rest kann man sich zur Not kaufen oder ausleihen. Reisen ist unglaublich einfach geworden, sodass ich nicht viel brauche. Ach ja, frische Unterwäsche wäre nicht schlecht.

Hat sich Ihr Urlaubsverhalten im Vergleich zu frü- her verändert?
Zeiss: In Maßen. Ich habe heute mehr Geld und bin weniger leidensfähig geworden. Ich übernachte nicht mehr in Schlafsälen, nehme keine 36-Stunden-Busfahrten auf mich und schaue mir die Alhambra trotz des hohen Eintrittspreises auch von innen an. Ein deutlicher Zuwachs an Qualität und Vergnügen, auch wenn ich froh bin, alle meine frü- heren Reisen erlebt zu haben.

Welchen besonders prägenden Moment gab es für Sie auf Reisen?
Zeiss: Was mich immer wieder dankbar überrascht hat, war die Gastfreundschaft der Menschen in den bereisten Ländern. Selbst die kargste Mahlzeit wird geteilt. Und was mir demütig in Erinnerung bleibt, sind unzählige unglaublich beeindruckende Land- schaften, Tierwelten und Lebensräume. Unsere Aufgabe ist es nun, diese weiter zu erhalten und nicht noch mehr zu zerstören, damit auch unsere Enkel das alles erleben können und dürfen.

Harald Zeiss Experte für nachhaltigen Tourismus. Er arbeitete viele Jahre in dieser Funktion für Tui. Mittlerweile lehrt er als Professor für Tourismusmanagement an der Hochschule Harz. 

Nachhaltiges Reisen im Unternehmen fördern – Maßnahmen und Strategien

Das Thema nachhaltiges Reisen gewinnt in Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Ludger Bals, ein auf Nachhaltigkeit spezialisierter Travel-Management-Berater, wurde von der fvw befragt. Er betont im Artikel (Link hinter Paywall) die Rolle von Travel Managern in diesem Prozess. Der VDR bietet seinen Mitgliedern hierzu Schulungen an. Im Folgenden sind einige zentrale Maßnahmen und Strategien, um nachhaltiges Reisen in Unternehmen zu fördern, die Ludger Bals als wirkungsvoll erachtet:

  1. Kommunikation: Ständige Wiederholung und aktive Kommunikation sind entscheidend, um Kolleginnen und Kollegen für ökologisch verantwortbares Reisen zu sensibilisieren. Dies beinhaltet regelmäßige Vorträge, die Nutzung unternehmenseigener Medien für Best-Practice-Beiträge und die Ernennung von Umweltbotschaftern im Management.
  2. CO2-Fußabdruck und Reduktionsstrategien: Schulungen zum Thema CO2-Fußabdruck und dessen Reduktion auf Geschäftsreisen sind essentiell. Online-basierte Schulungen sollten jederzeit abrufbar sein, um eine breite Sensibilisierung zu ermöglichen.
  3. Anpassung der Reiserichtlinien: Unternehmen sollten ihre Reiserichtlinien überdenken, um ökologischere Alternativen zu fördern. Dazu gehören Vorschriften für die Nutzung der Bahn auf bestimmten Strecken und die Bevorzugung von emissionsärmeren Transportmitteln.
  4. Ganzheitliches Mobilitätsleitbild: Auf sanfte Art und Weise sollten Mitarbeiter in Richtung eines ganzheitlichen Mobilitätsleitbildes bewegt werden. Dies kann durch die Förderung der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs, Pool-Fahrzeuge und Jobräder erreicht werden.
  5. Erklärvideos und Informationsmaterialien: Kurze, einprägsame Geschichten in Form von Videos oder Informationsmaterialien können komplexe Themen einfach und verständlich vermitteln.
  6. Green Community: Die Schaffung einer firmenweiten Green Community, die Mitarbeiter in ökologischer Hinsicht sensibilisiert, kann effektiv sein. Eine Untergruppe könnte sich speziell mit Fragen der ganzheitlichen Mobilität befassen.
  7. Ökologische Hinweise im Unternehmensalltag: Kreative Methoden wie Hinweise auf Bildschirmschonern, ökologische Mitteilungen in Tagungspausen oder sogar beschriftete Serviertabletts in Kantinen können das Bewusstsein für Umweltthemen stärken.
  8. Online-Schulungen mit verpflichtenden Elementen: Schulungen, die sowohl Viel- als auch Wenigreisenden erklären, wie sie nachhaltig handeln und ihren CO2-Fußabdruck reduzieren können, sind wichtig. Diese könnten mit verpflichtenden Elementen versehen werden, die anschließend per Digitalquiz abgefragt werden.
  9. Einrichtung einer Öko-Taskforce: Eine Hotline oder E-Mail-Adresse für alle Fragen zur Nachhaltigkeit kann effektiv sein, wobei eine schnelle Antwort garantiert sein muss.
  10. Kommunikation von Erfolgen: Die Veröffentlichung von erreichten Zielen, wie eingesparten Kohlendioxid-Mengen, motiviert andere zum Nachmachen und hebt das positive Image des Unternehmens hervor.
  11. Selbstverpflichtungen des Unternehmens: Travel Manager können sich für Selbstverpflichtungen des Unternehmens einsetzen, wie beispielsweise die Beschränkung auf Bahn- und Busreisen für bestimmte Streckenlängen.

Diese Maßnahmen zeigen, dass neben strengeren Richtlinien auch intensive Kommunikation und kreative Ansätze dazu beitragen können, das Bewusstsein für ökologisches Reisen in Unternehmen zu stärken und nachhaltige Praktiken zu fördern. Ludger Bals schwört sogar auf eine starke Wiederholung der Inhalte, damit sich die Nachhaltigkeitsthemen auch wirklich verfangen.

Zukunft des Reisens 2024: Luxus und Nachhaltigkeit im Fokus

In einem kürzlich erschienenen Artikel der Sächsischen Zeitung wird Prof. Harald Zeiss zu den aktuellen Reisetrends für das Jahr 2024 interviewt. Trotz der Herausforderungen durch Inflation erlebt der Luxusurlaub einen Boom, während nachhaltiges Reisen trotz guter Vorsätze noch hinter den Erwartungen zurückbleibt.

Tartu in Estland, Bad Ischl in Österreich und Bodø in Norwegen sind als Europäische Kulturhauptstädte 2024 besonders hervorgehoben. Prof. Zeiss betont die Bedeutung von Bildungsreisen. Eine Untersuchung von booking.com zeigt, dass 66 Prozent der Reisenden lokale Kulturen und Traditionen erleben wollen.

Prof. Zeiss unterstreicht die Vielfalt der neuen Trendziele, darunter Rotterdam und eine 3.000 Kilometer lange Wanderroute von Armenien nach Georgien. Auch Badeseen in Kärnten sind beliebt, da sie Erholung und regionale Nachhaltigkeit bieten.

Interessant ist die Feststellung, dass die Reisetrends von verschiedenen Akteuren wie Influencern und großen Reiseveranstaltern beeinflusst werden, und sich je nach Region unterscheiden können. Prof. Zeiss weist darauf hin, dass Reisetrends schnell auf globale Ereignisse und Verbraucherwünsche reagieren können.

Ein paradoxes Phänomen ist das anhaltende Interesse an teuren Reisen trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten. Gleichzeitig zeigt sich, dass Nachhaltigkeit im Reisebuchungsprozess oft eine untergeordnete Rolle spielt. Prof. Zeiss erklärt dieses Verhalten mit der kognitiven Dissonanz und dem Attitude-Behavior Gap.

Die vollständige Einsicht in die Reisetrends 2024 und Prof. Zeiss‘ Expertenmeinung finden Sie im Originalartikel der Sächsischen Zeitung.