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Erstes Hotel wird UN-Umweltpreisträger

Das Bucuti & Tara Beach Resort ist das erste Hotel weltweit, das den UN-Umweltpreis gewonnen hat. Das ist insofern erstaunlich, dass der Preisträger auf Aruba liegt. Bis jetzt ist dieses Land noch nicht in besonderem Maße als nachhaltige Destination hervorgetreten. Aber das kann sich jetzt ändern.

Das Bucuti & Tara Beach Resort ist ein Vorbild, wenn es um nachhaltiges Hotelmanagement geht. Es ist das erste klimaneutrale Hotel der Karibik und dafür als erstes Resort weltweit mit dem „Global United Nations Climate Action Award“ ausgezeichnet worden.

Die Auszeichnung verleihen die Vereinten Nationen seit zehn Jahren jährlich an Unternehmen, die sich besonders in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltschutz engagieren. Bisher erhielten aber nur Unternehmen wie Apple oder Infosys die Auszeichnung. „Die Tatsache, dass nun ein Hotel der Preisträger ist, zeigt, dass jede einzelne Institution der Reisebranche einen Teil zum Umweltschutz beitragen kann“, heißt es von den Vereinten Nationen in einer Mitteilung.

Für den österreichischen Inhaber Ewald Biemans ist diese Auszeichnung aber nur eine weitere Etappe in seiner bisherigen Umweltkarriere. Biemann setzt sich bereits seit Gründung seines Unternehmens im Jahr 1987 für mehr Umweltschutz im Tourismus ein. Und er hat noch große Pläne wie er in einem Interview berichtet.

Bereits kurz nach der Gründung Biemans mit den ersten Umweltschutzmaßnahmen. Anlass war, dass ihn ein deutscher Gast darauf angesprochen habe, wieso Bier aus Flaschen oder Dosen in Plastikbechern serviert werde – was ihn zum Nachdenken anregte. Und dann änderte sich alles.

Im Laufe der Zeit wurden viele Prozesse umgestellt. Die Nachhaltigkeitsinitiative des Resorts umfasst einen ganzen Katalog an Umweltmaßnahmen:

  • Jeder Gast erhält eine wiederverwendbare Wasserflasche, wodurch 290.000 Einwegflaschen eingespart werden.
  • Grauwasser wird wiederaufbereitet und zur Bewässerung genutzt.
  • Lebensmittelabfälle konnten um 30 Prozent reduziert werden.
  • Ein spezielles Wäschereisystem reduziert den Wasserverbrauch.
  • Die Hotelzimmer sind mit Bewegungssensoren ausgestattet. Verlässt der Gast das Zimmer, wird die Kühlleistung der Klimaanlage heruntergefahren, sodass pro Jahr zwischen 32 und 38 % Energie gespart wird.
  • Recycling von Müll und Abfällen in zahlreichen Bereichen.
  • Die Geräte im Fitnessstudio produzieren bei der Benutzung Strom, welcher ins Stromnetz des Resorts eingespeist wird.
  • Bestellungen beispielsweise von Lebensmitteln werden gemeinsam mit anderen lokalen Unternehmen getätigt, um die Anzahl von Importen auf die Insel zu reduzieren.

Das sich das rechnet, kann der Geschäftsführer bestätigen: „Es ist durchaus möglich, ein finanziell erfolgreiches Hotel zu führen, den Gästen einen unvergesslichen Urlaub zu bieten und gleichzeitig nachhaltig Verantwortung zu übernehmen. Bucuti & Tara beweist jeden Tag, dass denkwürdige Ferien und Nachhaltigkeit sich gegenseitig einschließen. Der Klimawandel betrifft jeden, daher hat jeder Hotelier weltweit ein Interesse daran, ihn zu korrigieren.“

Der Tourismus ist in der Tat Verursacher und Leidtragender des Klimawandels zugleich. Zwischen 3 % und 5 % der weltweiten Emissionen stammen aus dem Tourismus. Insofern geht das Bucuti & Tara Beach Resort mit gutem Beispiel voran und wurde zurecht von den vereinten Nationen ausgezeichnet.

Darf man noch in den Urlaub fliegen?

Im Moment darf man nur in Europa in den Urlaub fliegen, denn die Bundesregierung hat eine Reisewarnung veröffentlicht, um die Bevölkerung vor der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus zu schützen. Aber darauf zielt die Frage nach dem Flug in den Urlaub ja auch nicht ab. Der Tag wird bald kommen, an dem wir alle rein rechtlich wieder in den Urlaub fliegen dürfen. Weiter bleiben wird allerdings die Frage, ob es auch aus ethischer Sicht erlaubt ist?

Was sollte dagegen sprechen? Die Klimaemissionen des Flugzeugs, die unseren Planeten vor große Herausforderungen stellen? Weil so ein Flug im Verhältnis zu anderen Aktivitäten unglaublich viel CO2 emittiert? Oder der Umstand, dass nur eine Minderheit – nämlich wir aus der westlichen Welt – fliegt und nur 20 Prozent der Weltbevölkerung überhaupt einmal ein Flugzeug betreten haben? Aber alle Menschen auf der Welt die Auswirkungen des Klimawandels spüren? Vor allem die Menschen im Globalen Süden, die sich vor Überschwemmungen und Dürren gar nicht schützen können. 

Fliegen wird immer mehr zu einer Gewissens- und Glaubensfrage. Das beobachtet auch die Internationale Flugorganisation ICAO. Sie hat einen Maßnahmenplan verabschiedet, der Fliegen wieder klimafreundlicher machen soll. Der Plan heißt CORSIA und sieht vor, dass die künftigen Emissionen in Klimaschutzprojekten kompensiert werden sollen. Der Plan hat aber einige Schwächen und wird von Umweltschutzorganisation scharf kritisiert. Viele Punkte bleiben unklar und die ICAO hofft vor allem, dass ein technologischer Fortschritt alle Probleme in der Zukunft beseitigen wird. Dieser Fortschritt muss aber noch erfunden werden.

So bleibt es am Reisenden, zu entscheiden, was jetzt richtig und was falsch ist. Und das ist keine leichte Entscheidung. Meiner Meinung nach ist schon viel erreicht, wenn wir uns alle einfach mehr Gedanken machen und einen Flug als etwas Luxuriöses ansehen, das man sich nur selten gönnt. Ein Wochenendtrip nach Barcelona für 49 Euro wäre dann nicht mehr drin. Dafür aber vielleicht ein Urlaub in einem Land, den man seltener macht, dafür aber länger plant, um sich mit der Kultur, den Menschen und den Besonderheiten auseinander setzt. Denn Reisen soll verbinden und Brücken bauen. Und dafür wäre ein Flug notwendig und vielleicht auch gerechtfertigt.

Klima: Sind die Pariser Ziele überhaupt noch zu erreichen?

In einem Gastbeitrag für den Spiegel schreibt der Klimaforscher Stefan Ramstorf (Beitrag hier nachzulesen) über die Auswirkungen von Corona auf die Einstellung zum Klimawandel.

In den letzten Wochen gab es Medienberichte, die davor warnten, dass das Ziel des Pariser Abkommens, die globale Erwärmung deutlich unter 2° Celsius zu stabilisieren, nicht zu erreichen ist. Die Autoren berufen sich dabei auf noch vorläufige Resultate der neuesten Klimamodelle verschiedener Forschungsinstitute.

Klimamodelle sind wichtige Werkzeugen der Klimaforschung. Sie sind über Jahrzehnte entwickelte, komplexe Rechenprogramme, die die Abläufe in der Atmosphäre, den Ozeanen und auf den Landoberflächen auf Basis der Gesetze der Physik simulieren. Aktuell gibt es ca. 100 dieser Modelle, betreut und weiterentwickelt von 50 Forschungszentren weltweit. Hochleistungsrechnern simulieren die Klimaentwicklungen anhand dieser Modelle.

Diese Berechnungen (vor allem die im fünf Jahres Rhythmus stattfindenden Standardmodellberechnungen CMIP) sind eine wichtige Basis für die Prognosen der Klimaentwicklung und werden auch vom Weltklimarat (IPCC) verwendet.

Aktuell wurde der CMIP6 ausgerechnet. Die Ergebnisse zeigen eine deutlich stärkere globale Erwärmung. Der Zeithorizont verkürzt sich im Vergleich zu früheren Modellgenerationen. Bislang ging die Klimawissenschaft davon aus, dass eine Verdoppelung der CO2-Menge in unserer Atmosphäre eine Erwärmung von rund drei Grad nach sich ziehen würde – mit einer Unsicherheit von bis zu 1,5 Grad (die sogenannte Klimasensitivität).

Aktuell prognostizieren 14 von 40 Modellen eine Klimasensitivität von mehr als 4,5 Grad, sieben davon sogar über fünf Grad.

Der Mittelwert aller bislang ausgewerteten Modelle liegt bei 3,8 Grad und damit um 0,6 Grad höher als bei der vorherigen Modellgeneration CMIP5.

Im Klartext heißt das, dass die Erde deutlich empfindlicher auf die Emission von Treibhausgasen reagiert. Sollten die Ergebnisse korrekt sein, müsste der CO2-Ausstoß noch schneller reduziert werden als gedacht, denn das noch zur Verfügung steht, würde kleiner.

Nun muss geprüft werden, ob die Berechnungen korrekt sind. In der Vergangenheit zeigten sich die Prognosen im Allgemeinen als sehr treffsicher, obwohl deutlich weniger Rechenleistung zur Verfügung stand. Stefan Ramstorf sieht aktuell noch keinen Handlungsbedarf, warnt jedoch davor, das Ziel, den Klimawandel zu bekämpfen, in Zeiten von Corona aus dem Auge zu verlieren.

Nachhaltigkeit im Urlaub spielt noch keine große Rolle

In einem Interview in der Süddeutschen Zeitung (mehr zum Nachlesen hier) bemängelt der Klimaforscher Stefan Gössling, dass die Gesellschaft den Klimawandel viel zu lange nicht ernst genommen hat. Und dass die Anstrengungen im Tourismus – ob es nun das Wiederbenutzen von Handtüchern im Hotel oder die Seife aus dem Spender ist – nur an der Oberfläche des Problems kratzen.

Gössling fordert ein radikales Umdenken, damit in der Zukunft günstige Energiepreise nicht weiter zu einer verantwortungslosen Verschwendung führen und neue Technologie eine Chance erhalten.

Destinationen müssen viel strukturierter an der Tourismusentwicklung arbeiten und sich eigene Grenzen setzen. Ein ‚immer mehr‘ führt zu einem Raubbau an den Ressourcen und leitet die Entwicklung vor Ort fehl. Wenn das Problem in den Urlaubsländern nicht gelöst wird, müssen die Reisenden mehr Verantwortung übernehmen. In diese Richtung zielen auch die Aktivitäten der Fridays-for-Future Bewegung. Jeder hat es selbst in der Hand, wie man künftig Urlaub machen möchte.

Eine aktuelle Umfrage des Portals Travelzoo zeigt jedoch, dass für die meisten Deutschen das Thema Nachhaltigkeit keine entscheidende Rolle bei der Reiseplanung spielt (mehr Infos hier). Nur 10 Prozent der Teilnehmer der Umfrage planen ihren Urlaub mit Blick auf die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Reise. Klassische Faktoren wie das Reiseziel, der Preis oder das Wetter waren den meisten deutlich wichtiger.

Immerhin sieht mehr als ein Viertel eine Veränderung und denkt, dass sich das Verhalten in der Zukunft ändern wird. So ist ein Großteil bereits heute bereit, einen Teil der Schäden durch Kompensation wieder gut machen zu wollen. Allerdings ist auch bekannt, dass zwischen dem was Menschen gerne machen würden und dem, was sie dann auch tatsächlich tun, ein großer Unterschied ist. Es bleibt also abzuwarten, ob die Befragten ihren Worten auch Taten folgen lassen.

Was der Klimawandel für den Tourismus bedeutet

Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (englisch: Intergovernmental Panel on Climate Change, kurz: IPCC) kommt erneut zu dem Schluss: Der Klimawandel ist eine Tatsache und menschliche Aktivitäten, insbesondere der Ausstoß von Kohlendioxid, sind mit mindestens 90-prozentiger Sicherheit die Hauptursache dafür. Klimaveränderungen machen sich immer häufiger auf dem Planeten bemerkbar: Die Atmosphäre und die Ozeane erwärmen sich, Wälder stehen in Flammen, die Menge von Schnee, Gletschern und Eis sowie die damit bedeckte Fläche gehen zurück, die Meeresspiegel steigen, Wettermuster ändern sich.

Die Reisebranche wird Veränderungen in bis dato nicht bekanntem Tempo und Umfang zu verkraften haben

Die vom IPCC verwendeten Computermodelle für das Klima ergeben, dass die Klimaveränderungen im Laufe des 21. Jahrhunderts fortschreiten werden. Nehmen die Emissionen weiterhin so stark zu wie bisher, dann ist bis Ende des Jahrhunderts u.a. mit einem Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur um 2,6 bis 4,8 °C und der Meeresspiegel um 0,45 bis 0,82 Meter zu rechnen (verglichen mit dem heutigen Niveau), Wetterextreme wie Dürren oder Hitzewellen werden häufiger, so wie wir das bereits erleben.

Selbst wenn der Ausstoß von Treibhausgasen von einem Tag auf den anderen gestoppt würde, blieben die Temperaturen auf der Erde noch über Jahrhunderte erhöht.

Sachstandsbericht Intergovernmental Panel on Climate Change

Denn die bereits durch menschliche Aktivitäten freigesetzten Treibhausgase befinden sich weiterhin in der Atmosphäre und entfalten dort ihre Wirkung. CO2 kann über 1000 Jahre in der Atmosphäre stabil bleiben. Die Begrenzung eines weiteren Temperaturanstiegs erfordert daher eine deutliche und dauerhafte Verringerung der Treibhausgasemissionen.

Die Tourismusbranche gehört zu den größten Wirtschaftssektoren der Welt: Auf sie entfallen rund zehn Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Sie erzielt mehr als sechs Billionen US-Dollar Umsatz pro Jahr und bietet mehr als 255 Millionen Menschen eine Existenzgrundlage. Für einige der weltweit ärmsten Länder ist der Tourismus besonders wichtig, vor allem für manche kleine Inselstaaten.

Die Branche ist mit schwerwiegenden Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert, die sich bereits heute bemerkbar machen.

Mit dem Temperaturanstieg werden viele Reiseziele an Attraktivität verlieren. An manchen Orten wird es schwieriger, Wintersport zu treiben. Der Küstentourismus ist extrem verwundbar durch den Anstieg der Meeresspiegel. Natürliche Anziehungspunkte, für die Millionen von Touristen teils weite Reisen unternehmen – Korallenriffe, Wälder und tierreiche Savannen –, werden geschädigt oder zerstört werden. Allein die Feuer in Australien haben fast 30 Menschen und mehr als eine Milliarde Tiere das Leben gekostet und vernichteten mehr als 600.000 Hektar Wald und Steppe. 

Daneben sieht sich die Branche allgemeineren Auswirkungen gegenüber: beispielsweise teureren Versicherungen (aufgrund extremeren Wetters), Wassermangel, geringerer Ernährungssicherheit sowie vermehrten Konflikten an manchen Destinationen.

In begrenztem Umfang wird der Klimawandel auch positive Auswirkungen haben.

Die Temperaturveränderungen werden neue Regionen für manche Touristen attraktiver machen, und es werden sich Chancen auftun für neue Arten des Tourismus. Zudem gibt es Möglichkeiten, sich dem veränderten Klima anzupassen. Doch die neuen Geschäftsgelegenheiten werden wahrscheinlich kurzlebig sein, und die Möglichkeiten zur Klimaanpassung sind begrenzt. Mehr noch, viele potenzielle Anpassungsmaßnahmen dürften später in diesem Jahrhundert vom Klimawandel ”überholt“ werden – insbesondere bei hohen Treibhausgasemissionen.

(Politische) Maßnahmen zur Minderung des Treibhausgasausstoßes werden die Tourismuswirtschaft direkt betreffen – erst recht angesichts des starken Wachstums ihrer Emissionen. 95 Prozent der Emissionen sind auf Verkehr und Gebäude zurückzuführen. Daher sind diese zwei Bereiche maßgeblich für das Klimaschutzpotenzial der Branche.

Mehr und vor allem detailliertere Informationen dazu gibt es hier.

Kompensation von Flugreisen: Ablasshandel oder Klimagerechtigkeit?

Wenn einer eine Reise tut… dann nutzt er oder sie immer häufiger ein Flugzeug. Die Entwicklungen der verkauften Flugplätze zeigen – trotz einiger spektakulärer Airline-Pleiten – weiterhin nach oben. Airlines können auf 3-5 % Wachstumsraten zurück blicken und genau diese werden auch für die nächsten Jahre prognostiziert. Von einem Einbruch der geflogenen Kilometer durch die Flugscham der FFF-Bewegung kann wirklich keine Rede sein.

Vermeiden, reduzieren und kompensieren. Das wäre aus klimapolitischer Sicht die Überlegung, die jeder Fluggast vor der Buchung anstellen müsste. Sicherlich steigt die Zahl der Reisenden, die auf einen Flug komplett verzichten, weil es einfach nicht klimafreundlich ist. Aber die Zahl der Passagiere, die zum ersten Mal fliegt oder sich mehr Flugreisen durch gesteigertes Einkommen oder günstigere Preise leisten kann, ist viel größer. Damit wächst auch der Flugverkehr kontinuierlich.

Wenn Vermeiden und Reduzieren jedoch nicht die gewünschten Auswirkungen haben, stellt sich die Frage nach der drittbesten Lösung: der Kompensation. Ein interessanter Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu diesem Thema ist hier zu finden. Die Autorin hat sich die Mühe gemacht, dem Kompensationsgeld aus Deutschland einmal hinterher zu reisen, bis nach Afrika. Um es kurz zu machen: von einem Ablasshandel kann wirklich nicht die Rede sein. Das Geld aus der Kompensation kommt bei den Ärmsten der Armen in den Entwicklungsländern an und sorgt dort für geringere CO2-Emissionen, weniger Schadstoffe und gesteigerte Haushaltseinkommen. Organisationen wie atmosfair garantieren, dass dies auch dauerhaft der Fall ist, und kein Greenwashing.

Die Diskussionen um den Ablasshandel ist eine rein psychologische. Wenn Fluggäste der Ansicht sind, dass die Kompensation sie von der Verantwortung eines klimafreundlicheren Reiseverhaltens entbindet, dann ist das eine Art „Reinwaschung“ der Klimasünde. Die Kompensation ist kein Zukunftsmodell. Aber sie ist heute noch notwendig und deutlich besser, als nur zu fliegen und nicht zu kompensieren. Das ist der entscheidende Punkt. Denn das Geld aus der Kompensation sorgt für mehr Klimagerechtigkeit.

Diese Gerechtigkeit bzw. Ungerechtigkeit entsteht aus dem Missverhältnis zwischen denjenigen, die den Klimawandel zu verantworten haben und denen, die die Konsequenzen schon heute tragen. Der Globale Norden hat seit der Industriellen Revolution das Klima sehr viel stärker belastet als die heutigen Entwicklungsländer. Letztere bekommen aber die Auswirkungen am stärksten zu spüren. Überschwemmungen, Dürren, Verlust von Biodiversität und vieles mehr, sind für Bauern in Bangladesch oder in Mozambique an der Tagesordnung. Die Menschen und die Regierungen vor Ort haben aber nicht die finanziellen Möglichkeiten, sich gegen die Auswirkungen zu wappnen. Diese Menschen zahlen die Zeche unserer wirtschaftlichen Entwicklung ohne selbst davon profitiert zu haben.

Die Klima-Kompensation kann helfen, diese Kosten etwas aufzufangen. Jeder Flugreisende sollte daher schon aus Gründen der Klimagerechtigkeit von der Kompensation Gebrauch machen. Und sich auch von den höheren Preisen abschrecken lassen! Denn das Ziel ist, weniger, oder eines Tages gar nicht mehr zu fliegen. Damit die Kompensation von Flugreisen als Option in der Zukunft nicht mehr notwendig ist.

Der Klimawandel: Hase und Igel Wettrennen für den Luftverkehr

Der menschengemachte Klimawandel stellt eine ernsthafte Bedrohung unserer Zukunft dar. In den letzten Monaten scheint einige Bewegung in die Branche gekommen zu sein, um Antworten auf die drängende Frage zu bekommen, wie wir unsere Mobilität im Tourismussektor ändern müssen. Dabei gerät der Luftverkehr in einen besonderen Fokus, denn er hat gleich mehrere Probleme, die es zu lösen gilt:

  • Der Luftverkehr wächst sehr viel stärker als die meisten anderen Verkehrsträger. 
  • Der Luftverkehr führt zu deutlich höheren Klimabelastungen als alle anderen Verkehrsträger.
  • Der Luftverkehr kann noch keine technische Lösung präsentieren, wie eine klimaneutrale Fortbewegung möglich ist. 

Zwar hat die ICAO mit dem CORSIA-Modell den Versuch unternommen, eine internationale Regelung zu finden, wie die Luftverkehrswirtschaft schonend auf diese Herausforderungen vorbereitet werden könnte, aber das CORSIA-Modell hat einige deutliche Schwachstellen:

  • Die nationale Luftfahrt ist überhaupt nicht reguliert, spielt aber in Flächenstaaten wie den USA, Kanada, Russland und China eine große Rolle hinsichtlich der Klimaemissionen.
  • Klimaeffekte, die durch den Ausstoss von Klimagasen in Höhen um 10.000 Meter entstehen, sind nicht berücksichtigt, obwohl deren Wirkung das zwei- bis dreifache der bodennahen Emissionen bedeutet.
  • Die Teilnahme ist weitgehend freiwillig und wirtschaftsschwache Länder sind von CORSIA befreit.
  • Es werden nur zusätzliche Emissionen berücksichtigt. Der heute bereits bestehende Sockel an Emissionen bleibt unverändert hoch.
  • Technologisch gibt es kaum Lösungen, schon gar nicht, um alle Emissionen zu vermeiden. Daher setzt CORSIA auf Kompensationsprojekte, bei denen aber auch Waldschutzprojekte (REED) berücksichtigt werden, die sehr stark in der Kritik stehen.

Am Ende bleibt der Luftverkehrswirtschaft nur die Hoffnung, dass kleine technische Verbesserungen zumindest einen Teil der Klimabelastung auffangen können. So hat die Einführung von Winglets und Sharklets den Treibstoffverbrauch um 3-4 % reduzieren können. Neue Werkstoffe, leichtere Bauteile und sogar Lackierungen, wie bspw. von TIB Chemicals, helfen Treibstoff zu sparen. Und vor allem effizientere Motoren senken den Kerosinverbrauch pro Gast und Kilometer deutlich. 

Aber das Wachstum der Reisenden führt letztendlich dazu, dass diese relativen Verbesserungen durch den absoluten Mehrverbrauch an Kerosin deutlich übertroffen werden. Die Luftfahrtbranche hat also noch sehr viele Herausforderungen, deren Lösung den Fortbestand der gesamten Industrie betreffen wird.   

MDR fragt: Wie reist man klimafreundlich?

Prof. Zeiss beantwortet Fragen zu nachhaltigem Urlaub. Bei den aktuellen hochsommerlichen Temperaturen erscheint ein Urlaub im Süden immer weniger attraktiv. Aber auch aus Klimaschutzgründen überlegen sich immer mehr Urlauber, ob sie überhaupt mit dem Flugzeug verreisen sollten. Mehr dazu im Video hier.

Prof. Zeiss bei Tagesthemen zum „Greta-Effekt“

Die Tagesthemen berichten über zunehmende Sensibilisierung bei Urlaubern zu Flugreisen. Prof. Dr. Harald Zeiss erklärt, ob ein Greta-Effekt zu erkennen ist.

Den Tatsachen in die Augen schauen

Oliver Graue kommentierte in der fvw, dass Flugscham keine Lösung sei. Prof. Zeiss antwortete in einem Gastkommentar

Flugscham soll keine Lösung sein? Wofür genau? Dass Flugscham aus Sicht der Tourismusbranche keine Lösung sein soll, ist nicht verwunderlich. Aber vor dem Hintergrund steigender CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre wäre es natürlich ein richtiger Schritt für das Klima – und einer, der für die Touristik gewaltige Konsequenzen hätte.

Der Kommentar zeigt leider deutlich, dass unsere Branche in einer fast notorischen Verteidigungshaltung angekommen ist. Anstatt mutig nach vorne zu schauen, werden die Probleme klein geredet. Dem Leser wird anhand bunter Beispiele vorgeführt, dass es schon nicht so schlimm wird (der Klimawandel), es auch gar nicht so dramatisch sei (der Flugverkehr) und die Schuld für die Klimamisere sowieso bei anderen zu suchen ist (den Paketzulieferern). Ganz nebenbei werden auch noch die – endlich politisch aktiven – Schüler diskreditiert, indem man ihnen vorhält, sie sollten keine Plakate in die Luft halten, so lange sie noch Videos auf dem Smartphone schauen. Wenn das die Antwort der Tourismusbranche auf die drängendste Frage unserer Zeit ist, dann bin ich ziemlich ernüchtert.

Fakt ist, dass die Auswirkungen des Klimawandels dramatisch sind. Sie finden nur nicht vor unserer Haustüre statt, was dazu führt, dass manch einer sie dann auch nicht sieht oder sehen will. Im Pazifik gibt es die ersten Klimaflüchtlinge, die ihre Heimat verlassen mussten, um in Neuseeland ein neues Zuhause zu finden. Australien kämpft gegen ungekannt große Buschfeuer, Springfluten und ein sterbendes Great Barrier Reef. Teile des Nahen Ostens und Nordafrikas werden schon heute durch verlängerte Hitzewellen und Wüstenstürme für Menschen unbewohnbar – mit Nachttemperaturen über 30 Grad Celsius und tagsüber 46. Dort wird auch niemand seinen Urlaub verbringen wollen. Und das ist erst der Anfang einer voraussichtlich sehr lang andauernden Entwicklung. 

Fakt ist auch, dass Tourismus im Allgemeinen und Flugverkehr im Speziellen ihren Teil zu den CO2-Emissionen beitragen: 5% bzw. 2,7%. Das sieht auf den ersten Blick nicht viel aus, aber wer sich vor Augen führt, dass nur die Eliten der Welt dieses Verkehrsmittel nutzen (weniger als 20% der Menschen hat jemals im Leben ein Flugzeug betreten), aber die gesamte Menschheit die Konsequenzen zu tragen hat, dann kann die Diskussion nicht damit beendet sein, dass vorher andere Branchen erst einmal Emissionen sparen sollen. Ganz abgesehen davon, dass die wachsende Mittelschicht in China und Indien bald schon am Gate steht und in den nächsten Jahren den Anteil der Flug-Emissionen deutlich nach oben treibt.

Und Fakt ist leider auch, dass es die Politik für die Branche nicht richten wird. Das hat uns die Erfahrung bei vielen anderen Themen längst gelehrt. 

Was ist zu tun? Zuerst einmal müssen wir den Tatsachen, anstatt sie klein zu reden, ins Auge sehen. Wir verkaufen eine Dienstleistung, die kein Menschenrecht ist, sondern ein Luxus, der jederzeit wieder abgeschafft oder eingeschränkt werden kann. Die Landwirtschaft in Deutschland erzeugt mehr als 7% der CO2-Emissionen, aber über deren Abschaffung wird niemand ernsthaft nachdenken. Wir benötigen touristische Innovationen, die den Klimawandel und dessen Konsequenzen mit einbeziehen. Die Entwicklung von Weltraumreisen zählt sicherlich nicht dazu. Sehr wohl aber Angebote, die klimafreundliche Anreisen, Ressourcen schonende Unterbringungen und nachhaltige Ausflüge vor Ort fokussieren. 

Die deutsche Tourismusbranche kann durchaus ein Vorbild sein. Die heimischen Kreuzfahrt-Reedereien AIDA und TUI Cruises zum Beispiel liefern sich seit 2011 ein Rennen um die besten Positionen im NABU-Kreuzfahrt-Ranking. Mit substantiellen Erfolgen für die Gäste und für die Umwelt. Zum Produkt Kreuzfahrt kann man stehen wie man will, aber man muss trotzdem anerkennen, dass in gerade einmal sieben Jahren der Wechsel vom Antrieb Schweröl zu Flüssiggas gelungen ist. Darüber hinaus wurden Schwefel-Abgase reduziert, Abfall-, Wasser- und Energieverbrauch an Bord um mehr als 30% gesenkt und Ausflüge sowie Buffets deutlich umweltfreundlicher gestaltet. Eine klimafreundliche Baltikum-Kreuzfahrt ab Kiel ist keine unerreichbare Utopie, wenn als Treibstoff flüssiges Biogas verwendet wird. Vieles davon wurde in Deutschland entwickelt und getestet und dient heute als Blaupause für die internationale Kreuzfahrt-Industrie und die Schifffahrt insgesamt. 

Kann das auch die Luftfahrt? 2016 wurde mit dem TV-Spot „Fliegen ist das neue Öko“ um eine junge Kundschaft geworben. Aber mit dieser Botschaft fing sich der Lobby-Verband BDL zurecht viel Kritik ein. Zwar sind die Pro-Kopf-Emissionen pro Flugkilometer in den letzten Jahrzehnten deutlich reduziert worden. Über die zwei- bis dreifache Klimawirkung in der Atmosphäre wurde jedoch nichts gesagt. Auch nichts über die Vielfliegerei, die dank immer günstigeren Preisen und Angeboten nicht mehr nur den Geschäftsreisenden vorbehalten ist. Der 2-Tage-Städtetrip per Flieger ist in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen – und damit zusätzliche CO2-Emissionen, die das Klima weiter belasten. 

Bis dato gibt es immer noch keine einsatzbereite technische Lösung, die das Fliegen in der Zukunft klimaneutral macht. Jede Sekunde sind 10.000 Flugzeuge in der Luft, mit einem entsprechend großen Durst nach Kerosin. Biotreibstoffe sind aus verschiedensten Gründen keine Lösung. Batterien sind nur für die Kurzstrecke geeignet, für die man aber besser die Bahn nimmt. Und electro-fuels aus Ökostrom, ein klimafreundlicher Ersatz für fossile Treibstoffe, haben das Labor noch nicht verlassen. Bis es soweit ist, bleibt den Konsumenten daher nur die CO2-Kompensation; oder die Flugscham, die immer mehr Menschen lieber am Boden bleiben lässt. Die Airliner, nein, die ganze Branche muss das Thema adressieren, Kunden informieren, CO2-Emissionen reduzieren oder kompensieren. Das wird teurer, aber auch ehrlicher und zeugt von der Verantwortung, die wir gegenüber künftigen Generationen haben. 

Wir Deutsche werden die Welt sicherlich nicht im Alleingang retten. Aber die Welt schaut mehr auf uns, als wir denken. Wenn wir erfolgreiche Klimalösungen Made in Germany anbieten, stehen die Chancen gut, dass diese auch in China, Indien oder Brasilien kopiert werden. Das ist der Hebel, den wir in der Hand haben. Und unsere moralische Pflicht, nachdem wir über Jahrzehnte hinweg einen weit über dem Weltdurchschnitt liegenden Konsum betrieben haben, der letztendlich seinen Teil zum heutigen Klimaproblem beigetragen hat.